15 wichtige Ereignisse im Medien-Monat Juli 2021
Die Wahl-Nervosität wächst
zusammengestellt von Oskar H. Metzger
- Die Empfindlichkeiten nehmen zu
In den Medien wachsen die Empfindlichkeiten. Eine unbedachte Äußerung über eine Frau oder ein Lachen im Hintergrund lösen Shitstorms aus. Da kann man wie Armin Laschet nur noch durch eine schnelle Twitter-Entschuldigung versuchen, sich frei zu rudern. Das Leben wird sicherer, wenn man im Umgang mit der Öffentlichkeit wieder stärker auf Vorsicht schaltet.
- Unschöne Journalisten-Ausrutscher
Eine auf Krisenkommunikation spezialisierte BBK-Beamtin beschimpfte Bild auf Twitter trotz Mäßigungsgebot übel. – RTL musste eine Reporterin beurlauben, weil sie sich fürs TV mit Flutschlamm beschmierte und als Helferin darstellte. – Auf ihrer letzten großen Sommer-PK wurde Angela Merkel mit zahlreichen peinlichen Wohlfühl-Fragen der Korrespondenten überschüttet.
- Die NZZ legt sich mit den Grünen an
„Hass-Attacken auf Journalistinnen, Interventionen bei öffentlich-rechtlichen Sendern und Forderungen nach mehr staatlicher Kontrolle: Grüne Politiker offenbaren“, so die bürgerliche NZZ, „ein eigenartiges Verständnis von Pressefreiheit.“ Grund für die Angriffe war auch die Rückzugs-Forderung einer Journalistin an Annalena Baerbock in einem TAZ-Kommentar.
- Ein Positionspapier bringt viel Ärger
Das Bundeswirtschaftsministerium bekam Ärger. Denn im Positionspapier des Beirats „Junge Digitale Wirtschaft“ stand auch die Formulierung „Disziplinierung der Presse“. Einige der Mitautoren distanzierten sich bereits oder boten ihren Rücktritt an. Missfallen erregte auch, dass man den Medien eine Mitschuld am angeblich schlechten Umfeld für Börsengänge in Deutschland gab.
- Empörung über Maaßen-Kritik
Wer wie der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen möglichst viele Feinde rekrutieren will, muss nur den ÖR-Sendern Meinungsmanipulation und Tricks vorwerfen. Dann fordert der DJV eine Entschuldigung. Und Malu Dreyer (SPD) hält die Kritik für infam bzw. einen Angriff auf die Pressefreiheit. Viele Politiker werfen Maaßen zudem vor, am rechten Rand zu fischen.
- Hochwasser-Nacht bringt WDR in Schwierigkeiten
Trotz Warnungen Pop-Nacht und Olympia statt Hochwasser. Bild wirft dem WDR eine verpennte Katastrophe vor. DWDL unterstellte Intendant Tom Buhrow „unterlassene Hilfeleistung “: „Sich auf den WDR zu verlassen, kann lebensgefährlich sein.“ WDR-Entschuldigung: „Wir teilen die Einschätzung, dass der WDR noch umfangreicher aus Wuppertal hätte berichten müssen.“
- Welt-Angriff auf FAS
Springers Welt-Strategie ist ein Frontalangriff gegen die FAS. Denn die WamS kündigt ebenfalls für Samstag eine Früh-Ausgabe an. Sie ersetzt die Welt-Ausgabe vom Wochenende. Zudem wird die WamS am Sonntag im Gegensatz zur FAS aktualisiert, was Sport-Lesern gefallen dürfte. Die werktäglich ausgedünnte Welt-Ausgabe soll sich zudem von 2,80 Euro auf etwa 2 Euro verbilligen.
- Interesse an Finanz-Szene
Gruner + Jahr steigt mit Capital beim Branchendienst Finanz-Szene als Minderheitsgesellschafter ein. Das Objekt hat über 30.000 Bezieher („Vorstände, Vordenker und Professionals“) für seine kostenlose Mail-Briefings. Man sieht sich als führender Newsletter der Banken- und Fintech-Branche mit einem Überblick über Top-Finanzmeldungen der Medien und Expertenbeiträgen von Sponsoren.
- Gendern trotz Ablehnung
Bild wehrt sich gegen den „Genderwahnsinn“. Doch Augsburger Allgemeine und Main-Post wollen „sanft“ gendern. Die beiden Chefredakteure wissen, dass eine Mehrheit der Deutschen das Gendern ablehnt und Friedrich Merz über ein Verbot nachdenkt. Sie verzichten zwar auf Genderzeichen, aber bei Aufzählungen heißt es z. B.: Erzieherinnen, Kinderpfleger und Kindergärtnerinnen.
- SZ-Verbesserungen ohne Mehrkosten
„Ohne Mehrkosten“ sollen bei der SZ ab Jahresbeginn 2022 Print- und Digital-Redakteure nach Tarifvertrag bezahlt werden. Damit wird laut Betriebsrat ein Geburtsfehler behoben, der die Redaktion seit über zwei Jahrzehnten in zwei Klassen einteilt. Online-Mitarbeiter arbeiten bisher ohne fixes 13. und 14. Monatsgehalt 40 Stunden statt 36,5 Stunden wie die Print-Redakteure.
- ÖR-Zukunft: Diversität und Comedy
Nach dem Rückzug der Kandidatur von Tina Hassel wird Norbert Himmler neuer ZDF-Intendant. Er will die Diversität steigern. Doch die Konkurrenz ruht nicht. So will die ARD künftig mehr Comedy-Formate bieten. Außerdem sollen die Plätze der Politikmagazine durch Dokumentationen und Reportagen angereichert werden, damit sich die Nachfrage in der Mediathek verbessert.
- Verharmlosungen angeprangert
Der Messerstecher in Würzburg könnte zum Super-GAU werden. So übte Bild Kritik an Verharmlosungen in Politik und Medien. Das Boulevardblatt griff die Darstellungen in Tagesschau und SZ an. Auch in anderen Medien fanden sich Beispiele von Einseitigkeit durch eine bestimmte Haltung. Wenn sich Journalismus dadurch immer mehr in PR wandelt, schaufelt er sein eigenes Grab.
- Problematische Twitter-Beiträge
Die Abschreib-Entdeckungen bei Annalena Baerbock bringen den ZDF-Rechtsexperten Felix W. Zimmermann in Schwierigkeiten. Denn zur Entlastung der „Autorin“ fertigte er an einem Tag 15 Twitter-Beiträge mit dem Tenor, an den Vorwürfen sei „nichts“ dran. Zweifel an seiner Unabhängigkeit schürt auch seine dreijährige Arbeit als Medien-Anwalt bei der Kanzlei, die Baerbock jetzt vertritt.
- Fernsehen profitiert vom Werbe-Aufschwung
In der Gastronomie mehren sich die Pleiten und die Inflation steigt. Doch der Werbe-Markt erholte sich laut Nielsen im ersten Halbjahr 2021. Mit 16,24 Mrd. Euro wurden 2,9% mehr mit Werbung umgesetzt. Die Gewinner waren allerdings Fernsehen (plus 9,8%) und Online (plus 6,5%), während Zeitungen (minus 3,2%) und Publikumszeitschriften (minus 3,8%) verloren.
- IVW-Analyse zeigt Käufer-Abwanderung
Im zweiten Halbjahr 2021 büßte Bild 2,7% sowie SZ 2,4% an Auflage ein und die Welt sogar 16,8%. Die Zeit gewann 13,2%, die FAZ durch einen Sondereffekt 7,2% und das Handelsblatt 1,0%. Bei den im Einzelhandel erhältlichen Publikumszeitschriften verloren 60 der 100 meistverkauften Titel an Käufern. Der Spiegel gewann durch Digital-Kunden 3,3%, während der Stern 6,6% verlor.
Oskar H. Metzger (Karikatur: Bubec).
Oskar H. Metzger profilierte sich als Ressortleiter bei Handelsblatt, Augsburger Allgemeine und WirtschaftsWoche ebenso wie als Herausgeber des Finanz-Pressedienstes und stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Journalisten-Verbandes.
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