5 wichtige Ereignisse im Medien-Monat Mai 2022
Sorge um Lokaljournalismus
zusammengestellt von Oskar H. Metzger
- Kommunalpolitik: Angst um die „vierte Säule“
Das Stuttgarter Pressehaus ist ein wichtiges Beispiel im Kampf um die „vierte Säule“. Dort wenden sich Landräte und Kommunalpolitiker/innen gegen Stellenabbau, weil sie um „Qualität und Bedeutung“ des Lokaljournalismus fürchten. Denn die Kommunalpolitik schwinde durch die Schwächung der „vierten Gewalt“ immer mehr aus der öffentlichen Wahrnehmung.
Diese Befürchtung formulierten fünf Landräte aus Baden-Württemberg in einem offenen Brief an die Geschäftsführung des Pressehauses und kritisierten, dass die „Pressebank bei Gremiensitzungen spärlich besetzt“ sei und kaum noch Berichterstattung aus Rat und Ausschüssen erfolge.
Ihr Plädoyer: „Kommunalpolitik braucht einen starken Lokaljournalismus.“ Hintergrund: Das Verlagshaus plant den Abbau von 55 Stellen und die Umwandlung der klassischen Ressorts in 22 „Teams“.
- Whistleblower: Schutz noch unzureichend
Das Bundesjustizministerium hat einen Referentenentwurf für ein nationales Whistleblower-Gesetz vorgelegt. Zwar wird Whistleblowern grundsätzlich Schutz zugestanden, aber vor den Gang an die Öffentlichkeit schiebt der Entwurf hohe Hürden.
So müssen Whistleblower eine Frist von drei oder gar sechs Monaten nach einer Meldung einhalten, ehe sie auf Medien zugehen dürfen. Das kritisiert der DJV als „Medienverhinderungsvorschrift“.
Eine so lange Zeitspanne könnte das betroffene Unternehmen nutzen, um eine Kommunikationsstrategie auszuarbeiten, wie es manipulativ mit der Enthüllung des Vorfalls umgehen und Hinweisgeber unter Druck setzen kann. Stattdessen sollte das künftige Gesetz den Vorrang von öffentlichen Informationen vor anderen Interessen festschreiben.
Der DJV-Vorsitzende weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass die Ressortabstimmung des Referentenentwurfs zu einer Verbesserung im Sinne von Whistleblowern und Journalisten genutzt werden sollte: „An der Notwendigkeit, Whistleblower vor Verfolgung und Repressalien zu schützen, kann kein Zweifel bestehen. Das Gesetz muss am Ende des parlamentarischen Verfahrens eine freiheitliche Handschrift erkennen lassen.“ Der Gesetzgeber solle den Spielraum, den die EU-Richtlinie lasse, in vollem Umfang zum Schutz von Whistleblowern ausnutzen.
- NZZ Deutschland: Umsatz wurde verdoppelt
Die NZZ ist 2021 in Deutschland stark gewachsen und hat operativ die Profitabilität erreicht. Bei den digitalen Abonnements, die den wesentlichen Teil des Geschäfts im deutschen Markt ausmachen, konnte der Umsatz fast verdoppelt werden. Damit setzt die NZZ ihren Wachstumskurs der letzten Jahre in Deutschland erfolgreich fort.
Zur Beschleunigung ihrer Expansion in Deutschland investierte die NZZ im vergangenen Jahr gezielt in den weiteren Ausbau der Berliner Redaktion und Verlagsorganisation. Dazu gehörte die Benennung von Jan-Eric Peters zum Geschäftsführer und von Marc Felix Serrao zum Chefredaktor von NZZ Deutschland.
Weitere Neuzugänge zur Verstärkung der Redaktion wie auch der Bereiche Marketing und Produkte folgten. Um das publizistische NZZ-Angebot für den deutschen Markt weiterzuentwickeln und stärker zu differenzieren, wurden im vergangenen Jahr das E-Paper und die gedruckte internationale NZZ grundlegend überarbeitet und zwei neue Newsletter eingeführt:
„Planet A – Der andere Blick auf den Klimawandel“ liefert jede Woche fundierte Hintergründe und Lösungsansätze zur Bewältigung des Klimawandels. „NZZ Mittel & Zweck“ ist ein informativer Newsletter für eine jüngere Zielgruppe zum souveränen Umgang mit Geld.
Die neuen Initiativen in der Produktentwicklung und auch im Marketing zeigen Wirkung: Der mit den Abonnentinnen und Abonnenten 2021 erwirtschaftete digitale Lesermarktumsatz konnte im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt werden. Das Geschäft in Deutschland ist profitabel und trägt damit zum Gesamterfolg des Unternehmens NZZ bei.
Jan-Eric Peters, Geschäftsführer NZZ Deutschland: „Wir freuen uns natürlich, dass sich unser Engagement so schnell auszahlt und wir trotz unserer Investitionen und der Verdopplung des deutschen Teams auf mehr als 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon profitabel sind. Die Weiterentwicklung unserer redaktionellen Angebote, der Auf- und Ausbau der Organisation, die Einführung neuer Produkte und neuer Marketingkonzepte – wir haben im vergangenen Jahr wichtige Meilensteine erreicht.“
Der Wachstumskurs setzt sich auch 2022 fort. In den ersten drei Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Abonnements kontinuierlich weiter gestiegen.
Marc Felix Serrao, Chefredaktor NZZ Deutschland: „Der wirtschaftliche Erfolg ist eine schöne Bestätigung unseres publizistischen Kurses. Wir sind 2017 mit der Überzeugung angetreten, dass es auch in Deutschland mehr als nur ein paar Leserinnen und Leser gibt, die für Qualitätsjournalismus mit einem klaren bürgerlich-liberalen Kompass bezahlen würden. Den Beweis haben wir erbracht – und wir wollen weiter wachsen.“
- Politik: Misstrauen gegen Journalisten bekämpfen
Acht Jahre hat es gedauert, bis die Forderung nach Stärkung der Medienkompetenz in der Bundesregierung angekommen ist. Jetzt will sich die Bundesinnenministerin darum kümmern.
Lange vor Querdenkern und Corona-Demos waren Vorurteile gegen Medien und Verschwörungsmythen über Journalisten schon ein Thema. Angefacht wurden sie von den „Lügenpresse“-Schmährufen auf Ostdeutschlands Straßen und Marktplätzen, die mit den Pegida-Demos Fahrt aufnahmen. Die Folge: Meinungsumfragen ergaben immer schlechtere Imagewerte für den Journalismus. Schon 2014 forderte der DJV deshalb die Politik auf, sich die Stärkung der Medienkompetenz auf die Fahnen zu schreiben. Reaktion? Gleich null.
Anfang 2018 dann eine neue Umfrage, diesmal von Forsa. Gegenüber dem Vorjahr büßten Zeitungen, Radio und Fernsehen jeweils vier Prozentpunkte beim Ansehen ein. Alarmierend waren die Umfrageergebnisse aus Ostdeutschland: Hier vertrauten nur 41 % der Befragten dem Radio, 27 % der Presse und 16 % dem Medium Fernsehen. Wieder lautete die Forderung: Medienkompetenz stärken. Und wieder war die Resonanz Schweigen.
In den Fokus der Politik geriet das Thema erst in der Corona-Pandemie, als Journalisten nicht mehr nur mit Misstrauen, sondern mit offener Feindseligkeit und Gewalt begegnet wurde. Und als Kommunalpolitiker immer öfter bedroht wurden.
Zumindest die neue Bundesinnenministerin scheint das Problem erkannt zu haben. Bei ihrer Vereidigung kündigte sie einen entschiedenen Kampf gegen den Rechtsextremismus an. Schließlich legte sie einen Aktionsplan gegen rechts vor. Die Ankündigung von Nancy Faeser: „Medienkompetenz im Umgang mit Desinformation, Verschwörungsideologien und Radikalisierung stärken.“ Konkret verspricht sie: „Mit dem Förderprogramm ‚Demokratie im Netz‘ der Bundeszentrale für politische Bildung werden neue und weitergehende Angebote der politischen Bildung geschaffen, die auf die Darstellungs- und Kommunikationslogiken der Plattformen ausgerichtet sind.“
Das Thema ist also ganz oben in der Bundespolitik angekommen. Den Worten müssen nun Taten folgen, heißt es abschließend in einem Kommentar von Hendrik Zörner im DJV-Blog.
- Steckbrief: Was Redaktionen heute suchen
Nach der Gründung seiner neuen Firma „Rome Medien“ sucht der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt nun Mitstreiter. Dazu hat er bei LinkedIn folgenden Beitrag eingestellt:
„Breaking xxx We want you! Die Stimme der Mehrheit. Die Reichweite der Zukunft. Aussprechen, was Millionen bewegt. Das ist unsere Vision.
Wir glauben an die Kraft der bewegten Bilder, an Video, an Broadcast. Wir werden Deutschlands erste digitale Talk- und Meinungsmarke. Wir schaffen das mediale Zuhause für die spannendsten, emotionalsten, unterhaltsamsten, kontroversesten Stimmen und Köpfe des Landes. Und für alle Menschen, die sich danach sehnen, dass man sie ernst nimmt und ihnen zuhört.
Unser Versprechen: Niemand versteht Deutschland besser als wir – und wir haben den Mut auszusprechen, was überemotional, aber unterberichtet ist. Jeden Tag Spaß in Deutschlands unWOKEster Redaktion und Konferenzen, die oft so lustig sind, dass man sie eigentlich live übertragen müsste!
Wir arbeiten jeden Tag leidenschaftlich an einem journalistischen Produkt, das News-Talk und Meinung vereint und Millionen Menschen aus dem Herzen spricht. Eine Arbeitsatmosphäre mit Kolleginnen und Kollegen, bei der Du keine Lust mehr auf Homeoffice hast. Billard, Tischtennis, Obstkorb, Hafermilch, Freigetränke – den ganzen Startup-Quatsch haben wir natürlich auch. Wen wir suchen (m/w):
Autoren: Du durchdringst gesellschaftliche Debatten und hast den Humor, diese ernsten Debatten in Pointen auszudrücken? Texte für uns!
Platform Director Youtube: Du verstehst den Youtube-Algorithmus besser als Youtube und traust Dir zu, eine Marke für ein Millionen-Publikum aufzubauen? Komm zu uns!
Newsletter-Redakteure: Du glaubst wie wir daran, dass jeder Tag einen anderen Sound hat und die Menschen brillant ausformulierte Gedanken lieben? Schreib für uns!
Grafiker: Du hast eine unerschütterliche Intuition für perfekte Bild-Text-Collagen und kannst schnell deine Ideen umsetzen? Bastele für uns!
Cutter: Du kannst schnell und sicher Videos bearbeiten und bist hoch motiviert, Dich mit den Inhalten auseinander zu setzen? Schneide für uns! Bewirb Dich jetzt, wir freuen uns auf Dich! „
Ob dieser Stellen-Steckbrief die richtigen Bewerbungen sowie geschäftlichen Erfolg bringt, muss Julian Reichelt aber erst noch beweisen.
Oskar H. Metzger (Karikatur: Bubec).
Oskar H. Metzger profilierte sich als Ressortleiter bei Handelsblatt, Augsburger Allgemeine und WirtschaftsWoche ebenso wie als Herausgeber des Finanz-Pressedienstes und stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Journalisten-Verbandes.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!