3 wichtige Ereignisse im Medien-Monat Juli 2022
Deutsche sind nachrichtenmüde
zusammengestellt von Oskar H. Metzger
Informationen: Junge Menschen können nichts damit anfangen
Aufsehen erregte auch im Juli das Leibniz-Institut für Medienforschung mit der Aussage: „Das Interesse an Nachrichten ist in Deutschland deutlich gesunken.“ Nur noch 57 % der erwachsenen Internetnutzenden würden sich für Informationen über das aktuelle Geschehen interessieren. Das sind zehn Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Am deutlichsten ist der Rückgang in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen, in der sich nur 31 % für Nachrichten interessieren, was einem Minus von 19 Prozentpunkten entspricht. Gleichzeitig steigt der Anteil derjenigen, die zumindest gelegentlich versuchen, den Nachrichten aus dem Weg zu gehen, auf 65 %.
Themenmüdigkeit, das Hervorrufen schlechter Laune und Erschöpfung aufgrund der Vielzahl an Informationen sind die Hauptgründe hierfür. Zudem empfinden insbesondere junge Menschen Nachrichten für sie persönlich nicht als wichtig oder nützlich. Sie haben den Eindruck, mit den Informationen nichts anfangen zu können, und finden es oft schwer, sie zu verstehen.
Das sind Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2022, dessen deutsche Teilstudie vom Leibniz-Institut für Medienforschung durchgeführt wurde.
Trotz dieser Entwicklungen ist der gesamte Anteil der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland, die mindestens mehrmals pro Woche Nachrichten lesen, hören oder schauen, mit 92 % stabil (2021: 92 %). Um sich über aktuelle Ereignisse vor der eigenen Haustür, in Deutschland und in der Welt zu informieren, verwenden die meisten erwachsenen Onliner in Deutschland 2022 das Internet. Mit 68 % wöchentlicher Reichweite hat es sich vor das Fernsehen mit 65 % geschoben. Im vergangenen Jahr 2021 lagen beide Gattungen mit jeweils 69 % noch gleichauf.
Insgesamt dominieren traditionelle Nachrichtenanbieter die Nachrichtennutzung im Netz. 47 % lesen, schauen oder hören regelmäßig die Inhalte etablierter Nachrichtenseiten; bei den 18- bis 24-Jährigen sind es 49 %. In dieser Altersgruppe sind jedoch soziale Medien mit 55 % die am weitesten verbreitete Quelle für Nachrichteninhalte im Internet. Für 39 % unter ihnen sind sie auch die wichtigste Ressource für Nachrichten, was einem Anstieg von 14 Punkten entspricht.
Nachdem sich im Corona-Jahr 2021 in mehreren der an der Reuters-Studie beteiligten Länder ein Anstieg des Vertrauens in Nachrichten beobachten ließ, hat sich dieser 2022 teilweise wieder abgenutzt. In Deutschland war zu Beginn des Jahres 2022 die Hälfte der erwachsenen Onliner der Ansicht, man könne dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen. Das sind drei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr 2021 (53 %), jedoch fünf Prozentpunkte höher als vor der Pandemie. Im internationalen Vergleich gehört Deutschland zu dem Drittel der Länder mit dem höchsten Vertrauen in Nachrichten.
Unter den abgefragten Marken, die den Befragten bekannt sind, sind auch 2022 die Hauptnachrichten „Tagesschau“ und „heute“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Angebote mit den höchsten Vertrauenswerten. Zu den Top 3 zählen auch regionale bzw. lokale Tageszeitungen. Die am weitesten verbreiteten sozialen Medien sind WhatsApp, YouTube und Facebook. Diese drei Plattformen sind auch die Angebote in dieser Kategorie, die von den meisten regelmäßig verwendet werden, um Nachrichten zu suchen, zu lesen, anzuschauen, zu teilen oder um darüber zu diskutieren (WhatsApp 15 %, YouTube 14 %, Facebook 17 %).
Im Vergleich zum Vorjahr haben Nachrichten auf allen drei Plattformen an Reichweite verloren (2021: WhatsApp 17 %, YouTube 16 %, Facebook 18 %). Ein tendenzieller Anstieg deutet sich hingegen bei Instagram (8 %) und TikTok (2 %) an.
Hinsichtlich der Frage, wie die journalistische Nutzung sozialer Medien gestaltet sein sollte, sind die Einschätzungen der Befragten jedoch altersabhängig. Insgesamt sind 52 % der Ansicht, es wäre besser, Journalistinnen und Journalisten blieben bei der Nachrichtenberichterstattung, während 31 % finden, dass sie dort neben der Berichterstattung auch ihre persönliche Meinung äußern können sollten. Mit steigendem Alter werden die jeweiligen Anteile der Befragten größer, die eine Konzentration auf die Berichterstattung befürworten. I
Nach wie vor beteiligt sich nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Internetnutzenden aktiv an der Nachrichtenberichterstattung in sozialen Medien. 12 % der erwachsenen Onliner liken regelmäßig Nachrichtenbeiträge, 9 % teilen und 7 % kommentieren sie dort. In der jungen Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen sind die Anteile etwas größer als im Durchschnitt der Bevölkerung. Zudem lässt sich erneut beobachten, dass Onliner, die sich selbst im linken oder rechten Teil des politischen Spektrums verorten, anteilig Artikel eher teilen und kommentieren als Nutzende in der politischen Mitte.
Im Jahr 2022 zeigt sich ein deutlicher Anstieg derjenigen Onliner, die im vergangenen Jahr im Internet einen gebührenpflichtigen Nachrichtendienst nutzten. 14 % der Befragten geben an, für digitale Nachrichten Geld ausgegeben zu haben. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Ein Zuwachs ist in allen Altersgruppen erkennbar, mit plus 14 Prozentpunkten fällt er jedoch am größten in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen aus: 23 % von ihnen sagen, dass sie im vergangenen Jahr für Nachrichten im Internet bezahlt haben.
Eine fortlaufende Zahlung in Form eines Abonnements bzw. einer Mitgliedschaft ist das am häufigsten gewählte Bezahlmodell. Die meisten Abonnements entfallen auf ein lokales oder regionales Nachrichtenangebot.
Die Präferenz, wie sich Menschen über das aktuelle Nachrichtengeschehen informieren möchten, liegt recht eindeutig in der Textform. 58 % lesen Online-Nachrichten am liebsten, während jeder Zehnte sie bevorzugt als Video anschaut. Das Hauptargument für die Textform ist die schnellere Möglichkeit der Informationsaufnahme; Videos sind hingegen leichter zu rezipieren.
29 % der Internetnutzenden in Deutschland ab 18 Jahren hören im Jahr 2022 mindestens einmal pro Monat einen Podcast. Das sind vier %Prozentpunkte mehr als im Vorjahr 2021. Anteilig die meisten neuen Podcast-Hörenden sind in der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen dazugekommen. Unter ihnen hören 39 % regelmäßig derartige Audioangebote, was einem Anstieg von plus neun Prozentpunkten entspricht. Die meisten Hörerinnen und Hörer sind bei Angeboten zu spezifischen Themen zu finden.
Meedia: Die größten Crossmedia-Gewinner:
Laut Branchendienst „Meedia“ zeigen die neuesten Zahlen der LAE 2022: Online-Reichweiten wachsen bei den Entscheidern, Print-Reichweiten schrumpfen. Unter dem Strich legen die meisten Titel bei der Crossmedia-Reichweite zu, vor allem für „Handelsblatt“ und „Zeit“ ging es nach oben. Verloren haben hingegen u.a. „Der Spiegel“ und die „Wirtschaftswoche“.
Einmal pro Jahr veröffentlicht die Leseranalyse Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung (LAE) u.a. Statistiken darüber, welche Medien genutzt werden. Die LAE zählt zu den „Entscheidern“ insgesamt knapp 3,07 Millionen Menschen. Die Zahl der Selbstständigen und Freiberufler ist dabei im Vergleich zum Vorjahr geschrumpft, die Zahl der Leitenden Angestellten deutlich und die Leitenden Beamten leicht gewachsen.
Ganz vorn bleibt bei der Crossmedia-Reichweite „Der Spiegel“, der allerdings gegenüber der LAE 2021 leicht verloren hat. Aus 1,866 Millionen wurden 1,844 Millionen Nutzerinnen und Nutzer – ein Minus von 1,2 %. Deutlich gewachsen sind die Reichweiten der „Süddeutschen Zeitung“ auf Platz 4. Auch „Frankfurter Allgemeine“ und „Welt“ gewannen hinzu.
Die beiden größten Gewinner der Crossmedia-Reichweiten heißen aber laut Meedia „Handelsblatt“ und „Zeit“. Das „Handelsblatt“ steigerte sich auf Papier und digital um stolze 7,8 % bzw. 74.000 Leserinnen und Leser, „Die Zeit“ kam inklusive „Zeit Online“ und Apps auf ein Plus von 5,5 % bzw. 59.000. Die „Wirtschaftswoche“ büßte 5,1 % ihrer Crossmedia-Reichweite ein, die „VDI Nachrichten“ 8,0 %, das „Handwerk Magazin“ 6,5 % und „Brand eins“ sogar 11,5 %.
Fast bei allen Gewinnern geht der Zuwachs allein auf das Konto der Digitalangebote. Hier gibt es mit der „Wirtschaftswoche“ und „Brand eins“ zudem nur zwei Verlierer gegenüber dem Vorjahr. Besonders deutliche Zuwächse verzeichnen die „Welt“ mit einem Plus von 77.000 Nutzerinnen und Nutzern, „F.A.Z“ und „Handelsblatt“ mit jeweils 59.000 mehr, sowie „Die Zeit“, „Focus“ und „Stern“ mit 43.000 bis 47.000 hinzu gewonnenen Entscheidern.
Bei den Print-Ausgaben der Medien, die sich der LAE angeschlossen haben, gibt es nur einen einzigen Gewinner: Das „Handelsblatt“ steigerte die Zahl der Leser pro Ausgabe unter den Entscheidern um 12.000 auf nun 262.000. Damit überholten die Düsseldorfer sogar die „F.A.Z.“ und liegen nun hinter der „Süddeutschen Zeitung“ auf Rang 2 der Tageszeitungen, berichtet Meedia.
Ehefrauen: Sie stehen unter Beobachtung
Die Journalistin Franca Lehfeldt heiratete den deutschen Finanzminister Christian Lindner. „Kann sie da noch objektiv berichten?“, fragt die „Neue Zürcher Zeitung“. Schon vor seiner jüngsten Hochzeit war der FDP-Chef mit einer Journalistin verheiratet. „Ohne Folgen blieb das für seine frühere Ehefrau nicht“, berichtet die NZZ weiter.
Für das Blatt stellen sich dabei „grundsätzliche Fragen“. Schließlich sei die neue Ehefrau seit Jahren als Journalistin in großen deutschen Medienhäusern tätig. Bis Ende 2021 war sie Chefreporterin für RTL. Jetzt sei sie in derselben Position für den Sender „Welt“ tätig. „Droht da nicht ein Interessenkonflikt?“, fragt die NZZ.
Nein, meint eine „Welt“-Sprecherin auf Anfrage der Schweizer. Lehfeldt sei schließlich insbesondere für die Union zuständig. „Sie berichtet in aller Regel nicht über die FDP oder die Finanzpolitik. Auch wenn sich gelegentlich Überschneidungen nicht vermeiden lassen, können wir hier keinen Interessenkonflikt erkennen. An ihrer Tätigkeit wird sich durch die Hochzeit nichts verändern“, heißt es aus dem Haus Axel Springer weiter.
Schon vorher hatte Lindner eine Partnerin im Journalismus gefunden. Ab 2011 war der FDP-Politiker mit der heutigen Chefredakteurin von „Welt am Sonntag“ Dagmar Rosenfeld verheiratet. 2018 trennte sich das Paar. 2020 wurde es geschieden. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, wechselte Rosenfeld zu Beginn der Beziehung ihr Berichtsgebiet.
Dennoch führte ihre Ehe zu presseethischen Verwicklungen. Anlass war ein eher launiger Beitrag Rosenfelds aus dem Jahr 2017. Mittlerweile stellvertretende Chefredakteurin von „Die Welt“, erteilte sie darin führenden Politikern im Bundestagswahlkampf 2017 Stiltipps. Auch FDP-Chef Lindner – damals noch ihr Ehemann – wurde von der Journalistin fernberaten. Doch weil für den Leser nicht ersichtlich war, dass die Verfasserin des Beitrags und die Ehefrau identisch waren, verstand der Deutsche Presserat laut NZZ keinen Spaß.
Vielmehr missbilligte die freiwillige Selbstkontrolle des deutschen Journalismus den Beitrag der Autorin in einer anonymisierten Mitteilung und erkannte „eine objektive Befangenheit der Journalistin“. Wörtlich hieß es: „Die Tatsache, dass eine Redakteurin über ihren Ehemann und seine politische Konkurrenz berichtet, ist mit den presseethischen Grundsätzen nicht vereinbar.“ Eine solche Konstellation sei vielmehr geeignet, das Ansehen der Presse in Gefahr zu bringen, und müsse deshalb vermieden werden.
Spätestens nach ihrer Heirat wird Franca Lehfeldt als Journalistin unter Beobachtung stehen. „Solange ihr aber kein Verstoß gegen das Objektivitätsgebot nachgewiesen werden kann, wäre es unfair, an ihrer Professionalität zu zweifeln“, beruhigt die NZZ.
Oskar H. Metzger (Karikatur: Bubec).
Oskar H. Metzger profilierte sich als Ressortleiter bei Handelsblatt, Augsburger Allgemeine und WirtschaftsWoche ebenso wie als Herausgeber des Finanz-Pressedienstes und stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Journalisten-Verbandes.
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