Framing
Interpretationen als Orientierungs- und Steuerungsmöglichkeit
von Claudia Mast
Ist ein Ereignis eine Bedrohung oder eine Chance? Welcher Aspekt eines Sachverhaltes ist wichtig? Wie kann er bewertet und gedeutet werden? – Wer Menschen nur mit einer Flut von Themen, Fakten und Zahlen überschüttet, verursacht mehr Verwirrung als Aufklärung.
Das strategische Kommunikationsmanagement setzt daher auf einen neuen Ansatz aus den Sozialwissenschaften – das so genannte „Framing“. Er wurde lange Zeit unterschätzt und dient nun als ein strategisches Werkzeug, das die Interpretation von komplizierten Themen bei den Stakeholdern beeinflusst und deshalb in der strategischen Planung eingesetzt wird.
Was ist Framing?
Ist Framing nur ein neues Buzzword? Nein, es ist keineswegs nur ein Schlagwort. In der Sozial- und Kommunikationswissenschaft ist der Prozess der Einbettung von Themen in Deutungs- und Sinnmuster ein breites Forschungsfeld. Es geht dabei um die Interpretation von Themen und die Frage, wie sie erklärt werden.
Viele Themen der Unternehmenskommunikation sind heute sehr vielschichtig. Mit Hilfe von Framing werden einige Aspekte ausgewählt und durch eine klare Interpretation verständlich gemacht. Das schließt eine Bewertung oder Handlungsempfehlung mit ein. Es geht also um Realitätsdefinitionen.
Unter Framing versteht man ein Deutungsmuster, eine Art Interpretationsrahmen, der die Wahrnehmung und Themenverarbeitung der Menschen in eine bestimmte Richtung lenkt. Die Forschung hat nachgewiesen, dass Personen Fakten immer innerhalb von „Frames“ (Deutungsmuster) verarbeiten und ihnen dadurch eine durchaus unterschiedliche Bedeutung zuweisen können.
Ein strategisches Werkzeug
Der neue Ansatz kommt bei der Formulierung von Kommunikationsstrategien und der Themenplanung zum Einsatz. Er konzentriert sich auf die Auswahl von Informationen und vor allem auf deren Deutung sowie die Art und Weise der sprachlichen und visuellen Präsentation.
Haben Unternehmen erst einmal die Zuwendung der Stakeholder gewonnen, werden die Interpretationen und Deutungen von Sachverhalten wichtig. Bei gleichem Inhalt bzw. identischer Faktenlage kann ein Glas Wasser als halb voll oder als halb leer bezeichnet werden (positiv oder negativ). Patienten haben beispielsweise ein Sterberisiko oder eine Überlebenschance (Angst oder Hoffnung).
Fakten und Frames – zwei Seiten einer Medaille
Worte wirken in diesem Prozess wie Signale, denn identische Fakten werden von den Menschen innerhalb von „Frames“ (Interpretationsrahmen) wahrgenommen und verarbeitet. Sie erhalten dadurch auch unterschiedliche Bedeutungen.
„Fakten können ohne Frames nicht vermittelt werden“, betont die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling. Während sich die politische Kommunikation ausführlich mit Framing als Werkzeug für die Präsentation von Realitätsausschnitten beschäftigt und solche Deutungsmuster vor allem bei kontroversen Themen einsetzt, findet dieser Ansatz in der Unternehmenskommunikation noch wenig Beachtung.
Deutungsmuster bekämpfen Unsicherheiten
Wer es jedoch versäumt, Sachverhalte und komplexe Themen in den Firmen auch in einen Bezugs- und Interpretationsrahmen zu stellen, lässt die Stakeholder letztlich mit Unsicherheiten allein. Frames machen nämlich Fakten für die Menschen begreifbar. Es ist für sie ein Unterschied, ob die Covid-19-Auswirkungen als „Gesundheitskrise“, „Wirtschaftskrise“ oder „individuelle Existenzkrise“ besprochen werden.
Framing ist unverzichtbar, wenn in Unternehmen beispielsweise Planungen vorgestellt werden und von „Strategie 2030“, „Leadership“ oder „Meilensteinen“ für die nächsten 10 Jahre die Rede ist. Bei solchen Konzepten werden viele Zahlen, Fakten, Projektionen und Kennziffern kommuniziert, die eine überzeugende Einbettung in ein Deutungsmuster benötigen.
Interpretationen geben Antworten
„Warum machen wir das eigentlich?“ Zum Beispiel weil das Unternehmen einen Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität von Patienten, zum Umweltschutz, zu neuen Antriebstechnologien u.a. leisten will.
„Und wie wollen wir diese Ziele erreichen? Woraus wird unsere Zuversicht gespeist, dass uns der Weg in eine gute Zukunft führt?“ Zum Beispiel weil die Firma Produkte und Problemlösungen zusammen mit den Kunden erarbeitet und „der Qualitätsführer“ auf dem Markt sein will.
Frames – häufig auch Narrative genannt – helfen, komplizierte Themen auf einfache Muster zu reduzieren und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man diese Ziele erreichen kann. Sie sind ein Kompass dafür, wie Menschen ihre Erfahrungen und Beobachtungen ordnen können.
Perspektiven betonen oder verschweigen
In der Unternehmenskommunikation hilft der Framing-Ansatz, Themen auszuwählen, zu gewichten und auf positive Denkmuster auszurichten. Wer sich Gedanken über Narrative macht und ihre Art, wie sie wirken, der entwickelt auch eine bessere Kommunikation, die Stakeholder verstehen, mit Themen, die sie weitererzählen können.
Mit dem Framing-Ansatz verfügt das Kommunikationsmanagement über ein Werkzeug, um bestimmte Realitätsausschnitte bei Themen hervorzuheben und auszuwählen. Es hilft, Aspekte und Perspektiven bei den Themen zu betonen oder zu verschweigen. Diese Auswahl und Betonung von Aspekten geschieht mit dem Ziel, die Wahrnehmung der Zielgruppen in eine ganz bestimmte Problemdefinition, Interpretation, moralische Bewertung oder Handlungsempfehlung zu lenken.
Storytelling zur Verbreitung von Botschaften
Menschen brauchen Frames, um Dinge zu verstehen und sie weitererzählen zu können. Storytelling eignet sich daher in besonderem Maße als ergänzende Vermittlungstechnik, um die Wirkung zu verstärken.
Frames sind sinnstiftende, suggestive Erzählmuster für die Themenvermittlung. Geschichten oder Erzählungen sorgen dann für den „roten Faden“ bei der Präsentation von Inhalten. Denn in der Erzählperspektive werden Ereignisse und Informationen in einer zeitlichen, räumlichen und logischen Reihenfolge geschildert. Akteure spielen Rollen und sorgen für Spannungsbögen.
Geschichten fördern das Verbreiten von Aussagen, denn sie können ohne Mühe erzählt und anderen Personen berichtet werden. Versuchen Sie das einmal mit einer Power Präsentation.
Geschichten liefern den „roten Faden“
Storys leben vom „roten Faden“ und den Spannungsbögen bzw. dramaturgischen Abläufen. Sie können aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden.
Ein authentischer Berichterstatter ist selbst Akteur und Teilnehmer eines Geschehens und schildert ein sehr hautnahes und emotionales Bild. Dies können Erfolgsstorys sein, wie Innovationen geschaffen oder Hindernisse beseitigt wurden. Betroffene erzählen über ihre subjektiven Erfahrungen und Problemlösungsstrategien, z. B. bei neuen Software-Tools.
Neutrale Stimmen sprechen überzeugend über Ereignisse und Entwicklungen, auch wenn sie nur über wenige Informationen verfügen und „von außen“ über einen Sachverhalt oder ein Geschehen berichten. Eine professionelle PR-Abteilung versucht meist, unter diesem Blickwinkel Informationen aus dem Unternehmen in einen logischen, aber spannenden Zusammenhang zu setzen.
Geschichten sind ansteckende „Gedankenviren“
Unternehmensinformationen in Form von Geschichten eignen sich in hervorragendem Maße für die sogenannte Anschlusskommunikation, d.h. Stakeholder können sie auch bei komplexen Themen verstehen und weitererzählen. Der Nobelpreisträger und Wirtschaftswissenschaftler Robert J. Shiller nennt sie „Gedankenviren“, weil er davon überzeugt ist, dass sie sich schnell verbreiten und ansteckend wirken. Er überträgt Erkenntnisse aus der Epidemiologie auf die Wirtschaft und die Kommunikation.
Stakeholder brauchen Geschichten, um Sachverhalte und Zusammenhänge im Unternehmen zu verstehen, und Führungskräfte können auf diese Weise den Mitarbeitenden auch komplizierte Zusammenhänge erklären.
Framing wird mit Storytelling zum zentralen Vermittlungskonzept
Umfragen unter den Top-500 Unternehmen in Deutschland dokumentieren seit langem, dass die Kommunikationsleistungen der Führungskräfte dringend optimiert und deren Wirksamkeit verbessert werden müssen. Hier sind die Bereiche Unternehmenskommunikation gefordert, den Managern entsprechend aufbereitete Informationsinputs, Best-Practice-Beispiele, Argumentationshilfen bei wichtigen Themen (z.B. bei einer neuen Unternehmensstrategie) und vor allem Gesprächsstoff zu liefern. Denn die Führungskräfte müssen sprechfähig sein und mehr erzählen können, als das, was im Intranet und in Newslettern bereits zu lesen war.
Framing ist also eine Art „rhetorische Waffe“ oder Werkzeug für die Präsentation von Deutungsmustern für Menschen. Zusammen mit dem Storytelling stellt es ein zentrales, strategisches Vermittlungskonzept dar mit dem Ziel, das Denken und Handeln der Zielgruppen zu beeinflussen.
Ausführliche Information
Claudia Mast: Alles wird anders – Unternehmenskommunikation auch? Welche Entscheidungen der Stakeholder-Ansprache in der Pandemie wichtiger werden. In: prmagazin 08/2021, S. 62 – 71.
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