Gerüchte
Die mächtigen Gegenspieler der Manager
Je massiver die Veränderungen in den Firmen, in der Gesellschaft und auf den Märkten wahrgenommen werden, desto heftiger kocht die Gerüchteküche. Es rumort in den Unternehmen, denn die Mitarbeiter wollen beispielsweise wissen, welche Folgen die Corona-Pandemie hat und was sie bringen wird.
Wer weiß etwas? Was ist geplant? Gibt es schon Entscheidungen? Sind die verbreiteten Gerüchte wahr oder Fake News? Unsicherheiten, vielerorts auch Ängste prägen das Kommunikationsklima in den Betrieben und bilden einen idealen Nährboden für den Flurfunk. Gerüchte sind eine äußerst effiziente Form der Kommunikation: Kaum ein anderes Phänomen dürfte bei vergleichbar geringem Aufwand so nachhaltige Wirkungen auslösen.
Schnelle Verbreitung und hohe Glaubwürdigkeit
Gerüchte verbreiten sich durch direkte, persönliche und informelle Kommunikation. Sie können sich aber auch elektronischer oder gedruckter Medien wie Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet als Transportmittel bedienen. Ein Punkt ist jedoch wichtig: Gerüchte lassen sich kaum steuern – man hat sie nicht unter Kontrolle.
Sie können zu mächtigen Gegenspielern der Verantwortlichen werden und genießen meist hohe Glaubwürdigkeit. In Unternehmen entstehen Gerüchte insbesondere vor allem dann, wenn sich Mitarbeiter schlecht informiert fühlen. In diesem Fall sind sie ein Produkt aus Misstrauen, Unsicherheit und Angst.
Hochkonjunktur in der Corona-Pandemie
Für Gerüchte gibt es verschiedene Ursachen und Quellen. Sie entstehen dann, wenn Fragen unbeantwortet bleiben oder Antworten nicht geglaubt wird. Dies ist aber nicht nur dann der Fall, wenn objektiv Informationen fehlen. Denn ein Überangebot an Information kann ebenfalls zu Unsicherheit und Zweifeln an ihrem Wahrheitsgehalt führen. Wenn Menschen der Medienberichterstattung nicht vertrauen, verbreiten sich auch Vermutungen oder Verschwörungstheorien aller Art.
Gerüchte entstehen also dort, wo Antworten nicht überzeugen und den Kommunikatoren nicht getraut wird. Sie bilden sich dann, wenn verlässliche Informationen fehlen, es an glaubwürdigen Aussagen mangelt oder wenn Normen und Werte in Gefahr sind. Hochkonjunktur haben Gerüchte deshalb in gesellschaftlich instabilen Zeiten wie der Corona-Pandemie.
Kommunikationsfehler wirken wie Brandbeschleuniger
Warum entstehen Gerüchte in Unternehmen, wenn es doch eine offizielle „Unternehmenskommunikation“ in Form von Meetings oder Medien gibt? Wenn Manager ihre Mitarbeiter regelmäßig informieren? Meist sind es Kommunikationsfehler, die als „Brandbeschleuniger“ wirken und die Verbreitung von Vermutungen geradezu „befeuern“.
Was sind solche Fehler? Das Top-Management informiert beispielsweise über eine Entscheidung, aber nicht die Hintergründe, warum Veränderungen notwendig sind. Diese bleiben im Unklaren und speisen die Gerüchteküche. Oder eine Führungskraft sagt dies, eine andere etwas anderes. Dann fehlt es an einer klaren One-Voice-Strategie. Kein Wunder, dass die Menschen sich aus diesen Widersprüchlichkeiten ihren eigenen Reim machen und ihn verbreiten. Und sie finden offene Ohren.
Informationslücken identifizieren
Häufig kommt es auch zu Verständigungsproblemen, wenn Zahlen, Fakten oder Entwicklungen nicht eingeordnet oder erklärt werden und die Mitarbeiter keine Möglichkeiten haben, ihre Vorgesetzten zu fragen. Dann fehlt es an Klarstellungen, verlässlichen Interpretationen und Mitsprachechancen.
Trotz der zunehmenden Professionalisierung in der internen Kommunikation neigen Unternehmen nach wie vor in guten Zeiten zu hoher Transparenz, aber zu verhaltener Kommunikation in schwierigen Phasen des Geschäfts. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten begünstigen aber Informationslücken unter Mitarbeitern und Führungskräften das Entstehen von Gerüchten. Der kontinuierliche Kommunikationsfluss in den Firmen – auch zum Homeoffice – ist eine wichtige Voraussetzung für Präventivmaßnahmen.
Dialog und Feedback organisieren
Wie lassen sich Gerüchte eindämmen? Wie können sie in ihre Schranken verwiesen werden? Um sie zu bekämpfen, muss man zunächst die Informationslücken aufdecken und bereit sein, sie zu schließen. Daher ist es empfehlenswert, in der internen Kommunikation Feedbackinstrumente wie projektbezogene Hotlines, die Beobachtung von Intranet-Foren oder aktuelle FAQ-Datenbanken (FAQ = Frequently Asked Questions) zu den wichtigsten Fragen zum Unternehmen, seiner Strategie und seinen Herausforderungen als Sensoren einzusetzen.
Ein einfaches und sinnvolles Instrument ist auch der offene Dialog, der Vertrauen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern festigt und auf diese Weise Gerüchten den Nährboden entzieht. Auf diese Weise lassen sich sehr schnell Meinungslagen in der Belegschaft feststellen, die Aufschlüsse über die allgemeine Stimmung wiedergeben. Besprechungen in Teams und Abteilungen machen auf Themen aufmerksam, die Mitarbeiter beschäftigen. Sie sollten deshalb Raum für Feedback geben.
Dementis sind keine Lösung
Dementis auf Gerüchte sind auf jeden Fall eine recht wirkungslose Form der Reaktion eines Unternehmens. Sie kommen erfahrungsgemäß fast immer ‚zu spät‘. In aller Regel sind sie nämlich Reaktionen, die erst stattfinden, wenn das Gerücht bereits umläuft, wenn es also schon etlichen Personen bekannt ist. Dementis sind dann nicht viel mehr als die Versuche einer Schadensbegrenzung. In wenigen Fällen sind sie allerdings aus juristischen Erwägungen zwingend notwendig, wenngleich sie in der Kommunikation mit den Stakeholdern kontraproduktiv wirken.
Dementis sind für die Empfänger meist wenig attraktiv. Sie erreichen nicht nur diejenigen, die die Botschaft des Gerüchts schon kennen, sondern auch zahlreiche andere, zu denen das Gerücht bis dahin noch nicht vorgedrungen ist. Damit tragen sie also selbst zur Weiterverbreitung bei.
Fakten, Fakten, Fakten
Wirkungsvoller als ein Dementi ist das Richtigstellen von Fakten. Im Vordergrund stehen also die präzisen Informationen. Auf ein Widerlegen und damit Wiederholen des Gerüchts oder der Desinformation sollte man jedoch verzichten. Wichtig ist, die eigene Ansicht darzulegen und nicht mit den Worten und schon gar nicht mit dem „Framing“ der Gegenspieler zu argumentieren, die das Gerücht streuen.
Erfolgsversprechend für ein Darlegen der eigenen Sichtweise ist vor allem, die Wörter und Sätze zu wiederholen, die die eigene Argumentation stützen. Werden dagegen Wörter und Sätze der Gegenseite aufgegriffen, verstärkt man nur die Idee des Gegners. Denn schon die Assoziation mit dessen Worten oder Satzbausteinen reicht aus, dass diese in den Köpfen der Menschen aktiviert werden und bei der Gegenseite einzahlen.
Offensive Kommunikation
Alles in allem gilt: Nur durch frühzeitige und offensive Kommunikation können Unternehmen das Heft des Handelns in der Hand behalten. Die Schnelligkeit und Offenheit der Unternehmenskommunikation entscheiden deshalb über Ausmaß und Glaubwürdigkeit von Gerüchten bei Mitarbeitern und anderen Zielgruppen.
Fazit: Die meisten Gerüchte leben von den Defiziten der „offiziellen“ Kommunikationswege. Gerüchte kann man deshalb am besten eindämmen durch rechtzeitige und offensive, aber vor allem kontinuierliche und glaubwürdige Kommunikation.
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