Touchpoints
Was Stakeholder berührt und bewegt
Was trifft den Nerv der Stakeholder? Wann hören sie zu? Welche Themen finden sie interessant? In der (digitalen) Kommunikation ist das strategische Ziel der puren Herstellung von Kommunikationskontakten bereits erfolgskritisch.
Kommen Apps auf dem Smartphone zum Einsatz, entscheiden wenige Sekunden, ob Nutzer sich einem Inhalt zu- oder von ihm abwenden. Das heißt: Content-Angebote von Firmen müssen von der ersten Sekunde zielgenau den Interessen und Befindlichkeiten der Nutzer entsprechen. Denn es gibt für sie keine zweite Chance für einen ersten Eindruck.
Die Relevanz der Menschen
Doch – was wollen die Stakeholder vom Unternehmen und ihren Führungskräften wissen? Viel zu lange haben Firmen aus der Innerperspektive heraus kommuniziert und verkündigt, was sie für interessant und nützlich hielten. Aus dem Blick geriet, was „für die da draußen“ wichtig sein könnte. Spätestens seit dem Ausbruch der Pandemie ist aber klar: die Menschen haben einen klaren Blick dafür, welche Informationen für sie relevant sind und welche nicht. Es gibt eben nicht nur eine Relevanz des Unternehmens, sondern auch den Blickwinkel der Stakeholder, den man genau kennen sollte.
Stakeholder-Ansprache – wiederentdeckt
Die Stakeholder-Ansprache – ein uraltes Erfolgsrezept der Kommunikation – wurde wiederentdeckt und revitalisiert. Wer die thematischen Berührungspunkte („touchpoints“) der Menschen und ihre emotionale Befindlichkeit kennt, kann zu ihren Köpfen und Herzen vordringen.
Der ursprünglich aus dem Marketing stammende Ansatz der sog. Touchpoints wurde auf die Themeninteressen der Menschen und deren Problemwahrnehmung ausgedehnt. Das kommunikationswissenschaftliche Modell betont: Entscheidend für den Kommunikationserfolg ist nicht nur das, was die Firmen den Menschen in einer Situation sagen (= Thema), sondern vor allem „wie“ (= Aufbereitung) und mit welcher Perspektive (= Blickwinkel). Die Inhalte müssen an die aktuelle Lebenswirklichkeit und Befindlichkeit der Menschen anknüpfen und ihnen in konkreten Situationen einen Mehrwert bieten.
Themen als Touchpoints
Touchpoints sind Bezugspunkte, an denen die Menschen mit einem Thema oder einer Botschaft in Berührung kommen, und die ihre Problemwahrnehmung prägen. Diese Berührungspunkte entscheiden in wenigen Sekunden eines Kommunikationskontaktes, ob sich die Menschen den präsentierten Themen überhaupt zuwenden und zuhören – und wenn ja: was die Kommunikation dann bewirkt. Wo sind sie zu finden?
Entscheidungssituationen am Arbeitsplatz und in der Freizeit
Erstens: Konkrete Situationen in der Freizeit wie am Arbeitsplatz schaffen thematische Bezugspunkte. Die Menschen fühlen sich betroffen, weil es sich um Konstellationen aus dem Alltag handelt, in denen sie unsicher sind und entscheiden müssen. Sie tun dies in unterschiedlichen Rollen, die ein ganzes Set von Themen-Touchpoints liefern.
Am Arbeitsplatz können Menschen beispielsweise aktuell über die Unterbrechung von Lieferketten, Probleme der Energieversorgung, die Regeln für das Arbeiten im Homeoffice oder aber allgemein über die Arbeitsaufgabe, ihre Rolle in einem Team oder Führungsfunktion, aktuelle Unternehmensprojekte oder Planungen bzw. Angebote an Standorten angesprochen werden. Darüber hinaus bieten Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Teilzeitarbeitsplätze, Urlaub, Kinderbetreuungsangebote oder Probleme von Alleinerziehenden oder Pendlern Anknüpfungspunkte.
Unbeantwortete Frage aus der Mediennutzung
Zweitens: Mediale interne wie auch externe Veröffentlichungen liefern meist nur Informationsfragmente und Themenimpulse. Häufig lassen sie Fragen der Stakeholder offen, weil sie sich auf einen andere Themenagenda konzentrieren. Die Menschen sehnen sich aber nach Antworten auf „ihre“ Sorgen, die Ängste in der Pandemie und Sorgen um ihren Arbeitsplatz, den Frieden und die weitere Entwicklung des Wohlstands. Schließlich ist das „ihre“ Zukunft.
Weniger ist mehr
Am Arbeitsplatz klagen Mitarbeitende und Führungskräfte über das mediale Überangebot, die Flut der Online-Meetings und E-Mails sowie die wachsende Zeitnot. Viele neue digitale Tools und Kommunikationswege aus der Welt von „Teams“ und „Zoom“ sind hinzugekommen. Die Unternehmen laufen Gefahr, in der internen Kommunikation selbst einen medialen Overkill zu produzieren, wohingegen die Mitarbeitenden nach wenigen klaren, verständlichen Aussagen und Inhalten verlangen.
Kurzfassungen von relevanten Fachthemen in Newslettern, Abstracts mit den wichtigsten Beschlüssen im Volltext zu den Powerpoint-Präsentationen oder kurze Zusammenfassungen zentraler Reden auf Business Meetings oder Betriebsversammlungen bieten erste, unverzichtbare Orientierungsleistungen an.
Einfache, klare und kurze Aussagen
Interessante Themen aus der klassischen Medienberichterstattung sind in der durch den Krieg verursachten Energie-Krise beispielsweise die Abhängigkeit einer Firma von Gas und Öl, die Lösungswege für mögliche Engpässe, die Auswirkungen auf die Beschäftigung sowie die Zukunftsfähigkeit von Firmen, Branchen und Regionen.
Ob neue Corona-Welle, Lieferausfälle, Inflation oder Energie-Krise – bei diesen Themen gilt: Weniger ist mehr. Relevante Kommunikation ist einfach und knapp. Auf keinen Fall aber verliert sie sich in vielen Buzzwords und langatmigen Ausführungen. Klare Aussagen den Chefs sind angesagt.
In der internen Kommunikation helfen darüber hinaus kurze, kompakte Übersichten von Konzepten und Berichten, modulare Präsentationen sowie Ansprechpartner für weitergehende individuelle Beratungen und Fragen.
Probleme für alle
Drittens: Menschen haben ein Gespür für kollektive Herausforderungen, wenn beispielsweise Problemsituationen eine Firma, eine Branche oder ein ganzes Land betreffen. Pandemie, Klimawandel, Inflation, Digitalisierung und nicht zuletzt die Bedrohungen der Sicherheit durch den Angriffskrieg Putins in der Ukraine sind solche Themenkomplexe. Diese Bezugspunkte repräsentieren die „gefühlte“ Relevanz eines Themas und zeigen, welche ökonomischen, gesellschafts- oder wirtschaftspolitischen Probleme die Menschen im Zusammenhang mit einem Unternehmen wahrnehmen.
Anknüpfungspunkte sind in dieser Touchpoint-Dimension beispielsweise die Zukunftsstrategie eines Unternehmens aus den Krisen, Branchen-Trends, Entwicklungen der Inflation und Lohnpolitik, Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt oder Sicherheit der Altersvorsorge.
Relevant für die Stakeholder
Wer erfolgreich kommunizieren will, setzt bei den Themenperspektiven der Stakeholder an. Diese können sich je nach Situation und aktueller Entscheidungs- oder Diskussionslage ändern. Allerdings entscheiden die Blickwinkel der Stakeholder auf die Themen über die Aufmerksamkeit und die Bedeutung, die Stakeholder einem Thema zumessen.
Touchpoints definieren also die thematischen Anknüpfungspunkte und die Perspektive der Ansprache. Sie sorgen dafür, dass eine überzeugende Kommunikation überhaupt zustande kommt. Sie sind Ausdruck der Themenrelevanz – aus der Perspektive der Stakeholder.
Ausführliche Information
Claudia Mast: Alles wird anders – Unternehmenskommunikation auch? Welche Entscheidungen der Stakeholder-Ansprache in der Pandemie wichtiger werden. In: prmagazin 08/2021, S. 62 – 71.
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