Wenn alles anders wird – Wege in die Zukunft erklären
Millionen Menschen bangen um ihre Existenz und Zukunft. Krieg in der Ukraine, instabile Lieferketten, hohe Inflation und Energieknappheit – wer hätte sich das vor einigen Jahren vorstellen können?
Diese Krisen verändern Gesellschaft, Unternehmen und Individuen gleichermaßen. Sie zwingen zum Umdenken, setzen Gewohnheiten außer Kraft und wirken vielerorts als Katalysator für Entwicklungen, die nun schneller ablaufen.
Hybride Kommunikation – eine neue Herausforderung
Hybride Arbeits- und Kommunikationswelten sind entstanden. Mitarbeitende im Homeoffice müssen effizient in Führungs- und Kommunikationsprozesse der Betriebe eingebunden werden. Dies stellt die Unternehmenskommunikatoren wie auch die Führungskräfte vor völlig neue Herausforderungen.
Hinzu kommt noch: die Bewältigung der Krisen mit den damit verbundenen Änderungen der Geschäftsabläufe und Kommunikationswege legen bereits vorhandene Probleme und Schwachstellen in den Betrieben schonungslos offen. Denn Defizite in der Kommunikationspraxis von (Top-) Managern, eine rigide Top-Down-Kommunikation oder schwer verständliche Fachinformationen wirken sich beispielsweise dann besonders belastend aus, wenn Mitarbeitende unsicher sind und Zweifel haben – vor allem wenn sie zuhause nicht mehr auf die informellen Kommunikationswege im Unternehmen zurückgreifen können (Stichwort: Flurfunk).
Wenn alles anders wird, was passiert dann mit der Unternehmenskommunikation? Nutzen die Kommunikationsverantwortlichen die Chance für eine Neupositionierung oder gar einen Neustart? Gelingt es ihnen, die Kommunikationserwartungen der Stakeholder besser zu befriedigen und sie in der unsicheren Zeit zu überzeugen?
Neue Regeln und Spielfelder
Die aktuellen Krisen verändern die Bedürfnisse und Gefühle vieler Menschen mit ernstzunehmenden Konsequenzen: das Spielfeld und die Regeln für das Geschäft werden anders. Unternehmen kämpfen nun mit Wandel auf allen Ebenen – mit neuen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen (= Makroebene), geänderten Geschäftsabläufen im Innern und zu ihren Geschäftspartnern (= Mesoebene) und Stakeholder-Gruppen, deren Erwartungen an die Arbeitgeber sich ändern (= Mikroebene)
Unternehmen als Hoffnungsträger in unsicheren Zeiten
Alles wird anders – und die Menschen schauen immer mehr auf die Firmen. Die Umfrage des Edelman Trust Barometers 2021 in 28 Ländern belegt: Unternehmen sind inzwischen die vertrauenswürdigste Quelle für Informationen geworden. 61% der Befragten vertrauen den Unternehmen (= Platz 1), gefolgt von den NGOs mit 57% (= Platz 2). Die Regierungen folgen mit deutlichem Abstand (53%) auf Platz 3. Die Nachfrage nach Firmeninformationen steigt und Unternehmen werden zu Hoffnungsträgern, da andere Institutionen an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verlieren.
Wenn sich Stakeholder (z. B. Mitarbeitende, Kunden, Aktionäre und Lieferanten) an Firmen als Informationslieferanten klammern, laufen diese Gefahr, dass sie mit Erwartungen konfrontiert werden, die sie gar nicht erbringen können. Auf jeden Fall müssen sie „jedes Wort auf die Goldwaage“ legen, denn Menschen sind in einer solchen Situation sehr empfindlich und verletzbar. Enttäuschte Hoffnungen können höchst emotionale Empörungswellen produzieren. Die Qualität dessen, was gesagt wird, wird von den internen und externen Stakeholdern unerbittlich geprüft. Ihre Bereitschaft, zu verzeihen, nimmt ab.
Was den Firmen Sorgen macht
Welche kommunikativen Herausforderungen machen den Firmen zu schaffen? Viele Betriebe kämpfen mit Umsatzrückgängen oder -ausfällen und sorgen sich um die Stabilität ihrer Lieferketten. Anderen wiederum bereitet die geringe Kalkulierbarkeit der Rahmenbedingungen für ihr Handeln „Kopfschmerzen“. Ursache sind in erster Linie politische Entscheidungen und technologische Umwälzungen durch die Digitalisierung. Arbeitsplatzverluste drohen oder Entlassungen sind bereits beschlossen.
Die Schönwetterperiode in der Unternehmenskommunikation ist endgültig vorbei. Jetzt bereiten sich viele Firmen vor, schmerzhafte Themen zu kommunizieren. Belegschaften in den durch die Krisen besonders gefährdeten Branchen und Unternehmen plagen Zukunftssorgen oder gar Angst. Und die internen und externen Stakeholder ahnen, dass unangenehme Nachrichten drohen.
Keine Stakeholder vergessen oder ausgrenzen
Auch die zunehmende Spaltung bzw. Polarisierung der Gesellschaft in verschiedene politische Lager wird zur kommunikativen Herausforderung. Unternehmen haben es mit völlig divergierenden Erwartungshaltungen und sozialen Gruppen zu tun. Für diese Stakeholder müssen einfühlsame und differenzierte Strategien der Ansprache entwickelt werden, die Brücken bauen und nicht abschrecken oder gar ausgrenzen. Vor allem der internen Kommunikation muss es gelingen, unterschiedliche Gruppen einzubinden und niemanden zu bevorzugen oder gar zu vernachlässigen.
Das, „was“ gesagt wird, stellen die Menschen genauso auf den Prüfstand wie das „wie“. Denn sie fühlen schnell, ob ein angebotener Content sie wirklich angeht und für sie produziert wurde. Auch wenn sie mit ihrem Namen angesprochen werden, merken sie, ob die Aussagen und Argumente sich auch wirklich an sie richten. Content-Angebote, die einer industriellen Logik folgend massenhaft hergestellt, über Kanäle vertrieben und lediglich mit einer personalisierten Ansprache versehen werden, verbinden viele Adressaten mit mangelnder Wertschätzung.
Eines ist klar: Wenn sich die Erwartungen der Stakeholder durch den Wandel bedingt ändern und ihre Anforderungen steigen, muss auch die Unternehmenskommunikation ihre Inhalte wie auch Kommunikationsstile überdenken.
Zwei-Klassen-Gesellschaft vermeiden
Große Herausforderungen für die Unternehmenskommunikation liegen auch in den internen Informationsabläufen und der Einbindung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Viele von ihnen arbeiten im Homeoffice. Sie überzeugend zu führen sowie neu eingestellte Kolleginnen und Kollegen unter diesen Bedingungen in die Teams zu integrieren und an das Unternehmen zu binden, ist für die Firmen schwierig. Gleichzeitig müssen sie darauf achten, dass sich zwischen den Mitarbeitenden in den Büros und in der Produktion nicht das Gefühl einer Zwei-Klassen-Gesellschaft verbreitet.
Büro-Mitarbeitende („white collar“) können auch zuhause arbeiten. Die Bereiche für Unternehmenskommunikation schenken ihnen gerne Aufmerksamkeit, denn sie sind digital auch gut erreichbar.
Produktions-Mitarbeitende („blue collar“) hingegen können nicht von zuhause arbeiten. Sie haben während der Arbeitszeit auch kaum die Möglichkeit, Unternehmensinformationen zu lesen und sind von Kurzarbeit sowie Entlassungen besonders betroffen. Auch sie haben Ängste und Sorgen, kommen aber häufig in der internen Kommunikation weniger zu Wort. Eine solche Ungleichbehandlung können sich Firmen künftig nicht mehr leisten.
Eine Mitarbeiter-App verbindet
Einige Unternehmen versuchen, beide Gruppen durch eine verbindende Mitarbeiter-App mit ganz verschiedenen Nutzerprofilen gleichzeitig anzusprechen. Bei den Produktionsmitarbeitenden sind z. B. Schichtpläne, Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements, Speisepläne und Öffnungszeiten von Kantinen nützlich. Bei Büro-Mitarbeitenden können Vorschriften für die Standorte, Austausch zwischen den Fachabteilungen oder Informationen aus Business Meetings relevante Unternehmensinformationen sein.
Nachrichten auf Apps leben von Kürze, Prägnanz und Zielgenauigkeit. Dies gilt auch für die Unternehmenskommunikation als Ganzes. Sie muss die Stakeholder passgenau, mit überzeugenden Argumenten, knapp und kompakt ansprechen. Denn die Aufmerksamkeit der Nutzer entscheidet sich in Sekunden. Und die emotionale Einordnung der angebotenen Inhalte auch.
Unsicherheit und neue Informationspräferenzen bei den Menschen
Veränderungen sind nicht nur in der Gesellschaft und auf den Märkten sowie in den Unternehmen zu beobachten. Auch die einzelnen Menschen denken, fühlen und handeln nach der Pandemie anders als zuvor. Damit ändert sich die Stakeholder-Ansprache für die Firmen. Denn: noch nie war die Unsicherheit der Menschen größer, aber auch ihr Bedürfnis nach Orientierung. Medieninformationen vertrauen sie in der Pandemie immer weniger. Das Edelman Trust Barometer weist beispielsweise in einem Jahr (von 2020 bis 2021) Vertrauensrückgänge bei den Social Media (- 5%), Owned Media (- 5%) und den traditionellen Medien (- 8 %) aus.
Warum diese Unlust gegenüber medialen Informationen? Neben gesellschaftspolitischen Motiven mischt sich bei vielen Menschen die Unzufriedenheit über die Inhalte der Berichterstattung über aktuelle Entwicklungen mit einem Gefühl der Ohnmacht, den Overkill an medialen Informationen nicht mehr bewältigen zu können.
Informations-Overkill in den Betrieben
Und in den Betrieben? Auch hier kämpfen viele Mitarbeitende – vor allem wenn sie viele Tage im Homeoffice arbeiten – mit einer Flut an Mails, Powerpoint-Präsentationen und Teams-Meetings. Auf den Sharepoints liegen Mengen an Ausarbeitungen und eine „Herausforderung“ jagt die andere, Projekt folgt auf Projekt, Prozesse werden geändert, neue Tools eingeführt und immer neue Task Forces zusammengestellt. Aber was ist jetzt wichtig – und vor allem warum? Worauf kommt es vorrangig an und was kann noch ein wenig warten? Welche Ziele sind für ein Team oder einen Bereich heute prioritär und warum?
Entscheidend ist die Kommunikation des Managements
Wenn diese Fragen von den Vorgesetzten nicht überzeugend beantwortet werden, fühlen sich die Mitarbeitenden allein gelassen, werden unsicher und gar unzufrieden. Sie haben zwar Zugang zu Powerpoint-Präsentationen wie Sand am Meer und lesen Bullet Points in Hülle und Fülle. Wonach sie sich aber gerade in unsicheren Zeiten sehnen, sind einfache Aussagen sowie verlässliche Einordnungen und Erklärungen von ihren Chefs. Kein Wunder, dass Mitarbeitende beispielsweise auf Online-Plattformen wie kununu über Führungsmängel und geringes Interesse von Vorgesetzten klagen. Sie wenden sich nach außen, wenn sie Hilfe im Innern nicht finden.
Die Führungskräfte sind jetzt besonders gefordert, weil sie die Unternehmen durch die Krisen führen und die Arbeitsprozesse bzw. Organisationsstrukturen an die neuen Bedingungen des hybriden Arbeitens anpassen müssen. Hinzu kommt: die Mitarbeitenden erwarten von ihnen nicht nur fachliche Interpretationen und Erläuterungen der neuen Aufgaben, sondern auch emotionalen Beistand und Unterstützung in der außergewöhnlichen Situation.
Tipping-Point: wie Führungskräfte kommunizieren
Wenn persönliche Treffen, Gespräche unter vier Augen oder der Austausch in der Gruppe nur digital und selten in Präsenz stattfinden, wird die tägliche Kommunikationspraxis der Führungskräfte zum entscheidenden Tipping-Point, dem Dreh- und Angelpunkt, ob Prozesse effizient ablaufen und Veränderungen gelingen.
Manager als Kommunikatoren rücken in unsicheren Zeiten endgültig ins Zentrum der Unternehmenskommunikation. Gemeint sind nicht nur CEOs, Vorstände oder Geschäftsführer als Schlüsselkommunikatoren, sondern vor allem die Performance der alltäglichen Führungskommunikation und die Kompetenz der Manager auf allen Ebenen der Firma: Sie müssen auch unangenehme Unternehmensthemen mit den Mitarbeitenden besprechen und mit ihnen gemeinsam einen Weg durch die Unsicherheit finden. Ihre Aufgabe ist es, die eingeschlagene Route der Firma zu erklären, die Leitplanken für den Weg zu markieren, Stolpersteine, Schlaglöcher und Gefahren offen anzusprechen sowie überzeugend zu argumentieren, warum es sich lohnt, diese Mühen auf sich zu nehmen.
Den Weg erklären
Alle Manager – nicht nur die CEOs und Top-Führungskräfte – benötigen für diese Kommunikationsaufgaben tatkräftige Unterstützung durch die Bereiche Unternehmenskommunikation und Personal. Dies gilt insbesondere für die unteren und mittleren Führungsebenen. Dort entscheidet sich, ob Mitarbeitende sich im Unternehmen gut aufgehoben fühlen und ob der Arbeitgeber seiner Funktion als Hoffnungsträger in der Krise gerecht wird.
Das, was gesagt wird und vor allem wie, wird zum alles entscheidenden Kriterium, ob die Stakeholder-Ansprache gelingt. In Krisenzeiten steigen die Anforderungen an die Substanz und Überzeugungskraft der Inhalte. Die Manager als Kommunikatoren sind gefordert.
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